RU

neue
illustrierte elektronische

Bürgerkrieg und ausländische Intervention 1918-22 in Russland, bewaffneter Konflikt zwischen Angehörigen verschiedener sozialer Schichten und Gruppen, bei dem sich die Anhänger der bolschewistischen Ideologie und Politik und deren unterschiedlichen politischen Lagern angehörenden Gegner gegenüberstanden

Rubrik: Politische Geschichte

BÜRGERKRIEG und ausländische Intervention 1918-22 in Russland, bewaffneter Konflikt zwischen Angehörigen verschiedener sozialer Schichten und Gruppen, bei dem sich die Anhänger der bolschewistischen Ideologie und Politik und deren unterschiedlichen politischen Lagern angehörenden Gegner gegenüberstanden. Im Verlauf des Bürgerkrieg änderten die einzelnen Parteien und politischen Kräfte mehrfach ihre taktische Ausrichtung und schlossen sich zu neuen Allianzen und Blöcken zusammen, wodurch sich das Kräfteverhältnis zwischen den Konfliktparteien entscheidend verschob.

Nach ihrer Machtübernahme erklärten die Bolschewiki Russland zu einer „Diktatur des Proletariats“. Unter der Losung des Kampfes gegen klassenfremde Schichten wurden nicht nur rechte und liberale, sondern auch sozialistische politische Organisationen verfolgt. Ganze Klassen und Stände der russischen Gesellschaft (Adlige, Kaufleute, Geistliche, Kosaken usw.) wurden für „konterrevolutionär“ erklärt und sollten vernichtet werden. Mit der Gründung der „Außerordentlichen Allrussischen Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage (Tscheka) im Dezember 1917 wurden die gegen Personen nichtproletarischer Herkunft gerichteten Massenrepressionen systemimmanent. Industrie, Banken und Transportwesen wurden durchgängig verstaatlicht.

Unter den ersten Opfern des bolschewistischen Regimes waren auch Vertreter der deutschen Intelligenz sowie deutsche Unternehmer, Angestellte und Kolonisten.

Noch vor dem Fall der Provisorischen Regierung wurden erste Komitees gegründet, die für die Requirierung von Land und Vermögen der Großgrundbesitzer eintraten. Eines dieser Komitees, auf dessen Initiative ukrainische Bauern die Konfiskation der Ländereien und Güter der Gutsbesitzer beschlossen, entstand unter Führung des Anarchisten N. Machno im Dorf Guljajpole (Bezirk Aleksandrowsk/ Gouvernement Jekaterinoslaw). Im September-Oktober 1917 wurden fast alle großen Güter einschließlich der Besitzungen der Kolonisten überfallen und entweder geplündert und niedergebrannt oder (wie z.B. die Höfe von Klassen und Neufeldt) in landwirtschaftliche Kommunen umgewandelt.

Nach dem Sturz der Provisorischen Regierung und der Ausrufung der Sowjetmacht wurden Enteignungen in den in der Ukraine gelegenen deutschen Kolonien alltäglich. Zwischen November 1917 und Februar 1918 standen sich in der Ukraine sowjetische Truppen und bewaffnete Kräfte der Zentralrada gegenüber. Von diesen Kämpfen wurden vor allem einige in der Nähe der Eisenbahn gelegene große Kolonien hart getroffen. So nahmen z.B. zum „Kampf gegen die Konterrevolution“ in das Gouvernement Taurien entsandte Matrosen der Schwarzmeerflotte in der Kolonie Molotschansk (Halbstadt) in der Zeit vom 16.-19. Februar 1918 Verhaftungen und Erschießungen von Großunternehmern und Angehörigen der Intelligenz vor und erhoben hohe Kontributionen.

In nahezu allen Regionen des Landes (Wolgagebiet, Sibirien, Nordkaukasus usw.) wurden Kolonisten zu Opfern von Gewaltakten, was selbst die Führer der lokalen Sowjetorgane eingestehen mussten. So hieß es z.B. in einem Befehl des Rats der Volkskommissare der im Gouvernement Samara gelegenen „Sozialistischen Arbeitskommune des Bezirks Nikolajewsk“ vom 8. Mai 1918, dass sich „Parasiten der Werktätigen“ und „kriminelle Elemente“ in die Reihen der Roten Armee, der Roten Garde und sogar einzelner Sowjets eingeschlichen hätten: „Überall im Bezirk [...] passiert Unvorstellbares, von allen Seiten gehen Beschwerden ein, die bei der Überprüfung in vollem Umfang bestätigt werden, dass einige Rotarmisten, Rotgardisten und sogar Vertreter der Deputiertensowjets gegen Bürger gerichtete Gewalt- und Willkürakte verüben, diese auspeitschen, prügeln, Waffen missbräuchlich einsetzen usw. und sogar marodieren, indem sie der Bevölkerung eigenmächtig und unter Gewaltanwendung verschiedene Besitztümer abnehmen...“.

Nach der Auflösung der Verfassungsgebenden Versammlung durch die Bolschewiki spitzte sich der Prozess der Polarisierung der politischen Kräfte des Landes im Januar 1918 schlagartig zu. Die Versuche eines Teils der Intelligenz, das Abgleiten des Landes in Richtung Bürgerkrieg aufzuhalten, blieben erfolglos.

Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Brest-Litowsk (März 1918) und dem Austritt Russlands aus dem Ersten Weltkrieg besetzten deutsche und österreich-ungarische Truppen 1918 einen Teil der Ukraine, Weißrusslands, des Baltikums und Südrusslands. Die in der Ukraine ansässigen deutschen Kolonisten fanden sich im Epizentrum der wichtigsten bewaffneten Zusammenstöße des Bürgerkriegs wieder, was sich auf ihr Schicksal fatal auswirken sollte.

Die deutsche Bevölkerung nahm den Einmarsch der Besatzungstruppen auf das Territorium der Ukraine mehrheitlich als Erlösung von den Lasten und Entbehrungen der revolutionaren Anarchie wahr. Am 21. März 1918 befahl das reichsdeutsche Kommando die Rückgabe der von den ukrainischen Bauern in Besitz genommenen Ländereien und Besitztümer der Kolonisten.

Am 29. April 1918 brachte ein von Deutschland und Österreich-Ungarn unterstützter Umsturz Hetman P. Skoropadskij an die Macht, dessen der Konsolidierung des „Ukrainischen Staates“ dienenden innen- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen die deutsche Bevölkerung größtenteils wohlwollend aufnahm. In Skoropadskijs Verwaltung besetzten Deutsche wichtige Posten (S.N. Herbel, F.P. Steinheil, A.G. Lingnau u.a.). Zahlreiche deutsche Kolonisten vor allem aus den Reihen jener, die zuvor Opfer von Enteignungen und Plünderungen geworden waren, beteiligten sich aktiv an den gegen die revolutionären ukrainischen Dörfer gerichteten Strafexpeditionen. In den Dörfern Welikomichajlowka (Dibrowka) und Guljajpole (Bezirk Aleksandrowsk/ Gouvernement Jekaterinoslaw) wurden Dutzende Bauern erschossen, das Dorf Welikomichajlowka niedergebrannt.

Derartige Exzesse konnten die revolutionäre Bewegung nicht niederhalten, sondern heizten diese nur zusätzlich an und trieben Hunderte ukrainische Bauern in die Arme Machnos, dessen Truppen erneut in der Gegend auftauchten und Mitte September 1918, nachdem sie den Widerstand der örtlichen Selbstschutzeinheiten gebrochen hatten, die bei Kankrinowka gelegene Kolonie Nr. 2 niederbrannten und die gesamte männliche Bevölkerung erschossen, um sich für deren Beteiligung an Strafexpeditionen zu rächen. Ein ähnliches Schicksal erlitten auch die Kolonien Krasnyj Kut und Mariental. Die Bewohner der niedergebrannten Kolonien flüchteten nach Chortiza und Molotschansk. Ähnliche Vorfälle waren auch in den Gouvernements Cherson und Taurien zu verzeichnen.

Um sich die Unterstützung der reichsdeutschen und österreich-ungarischen Truppen zu sichern, zeichneten die deutschen Kolonisten aktiv deutsche Kriegsanleihen: die Gesamtsumme der Obligationen lag bei 30 Mio. Rubeln (etwa 60 Mio. Goldmark). Die an einigen Orten der kompakten deutschen Siedlung einquartierten Militärgarnisonen wurden auf Kosten der örtlichen Bevölkerung mit Lebensmitteln und Tierfutter versorgt.

Im Sommer 1918 begann die deutsche Bevölkerung mit massiver Unterstützung des Kommandos der deutschen und österreich-ungarischen Truppen, eigene bewaffnete Selbstschutzeinheiten aufzustellen, für die große Mengen Gewehre, einige Dutzend Maschinengewehre, sowie Munition und sonstige Ausrüstung bereitgestellt wurden. In den meisten Kolonien kümmerten sich den Reihen der Kolonisten entstammende ehemalige Frontkämpfer, die an den Fronten des Ersten Weltkriegs Kampferfahrung gesammelt hatten, um die Aufstellung und Ausbildung der Selbstschutzeinheiten. An einigen Orten und insbesondere in den mennonitischen Siedlungen organisierten reichsdeutsche und österreich-ungarische Soldaten die militärische Ausbildung der jungen Kolonisten.

Von November 1918 an forcierten die Kolonisten, alarmiert durch die unter den Besatzungstruppen verstärkt zu beobachtenden Anzeichen revolutionärer Zersetzung und die Perspektive, den revolutionär gesinnten ukrainischen Bauern nach dem drohenden Abzug der deutschen und österreich-ungarischen Truppen allein gegenüberzustehen, die Aufstellung von Selbstschutzeinheiten und konzentrierten sich dabei vor allem darauf, die Aktionen der in den kompakten Siedlungsgebieten der Kolonisten bereits bestehenden einzelnen Selbstschutzeinheiten besser zu koordinieren. Am erfolgreichsten gelang dies an der Molotschna, wo sich die Kolonisten der Amtsbezirke Prischib, Halbstadt und Gnadenfeld zum gemeinsamen Kampf gegen Machno zusammentaten und ihre  in drei Kompanien zusammengefassten Selbstschutzeinheiten dem gemeinsamen Kommando eines in der Kolonie Prischib ansässigen Stabs unterstellten. Jeder Kompanie wurde ein Abschnitt der insgesamt etwa 50 km langen an den Nordgrenzen der Amtsbezirke gelegenen Verteidigungslinie zugewiesen. Darüber hinaus wurde auch eine eigene bis zu 600 Mann starke Reiterstaffel aufgestellt. Im Dezember 1918 konnten die an der Molotschna bestehenden Selbstschutzeinheiten das weitere Vorrücken der Truppen Machnos mit Unterstützung Weißer Kräfte zunächst stoppen. Die Lage der Kolonisten sollte sich allerdings schlagartig verschlechtern, als Machno Anfang Februar 1919 mit der Sowjetführung ein gemeinsames Vorgehen gegen die Konterrevolution verabredete und seine Truppen der dem Kommando P.E. Dybenkos unterstellten Ersten Transdneprischen Schützendivision anschloss, die am 9. Mai 1919 die Verteidigungslinien der Kolonisten durchbrach. Ein Großteil der deutschen und mennonitischen Bevölkerung verließ fluchtartig die Siedlungen in Richtung Krim, die in den Kolonien verbliebenen Bewohner wurden massiv repressiert. Allein im Amtsbezirk Halbstadt wurden etwa 100 Personen getötet.

Die auf die Krim vorrückenden Truppen Dybenkos trafen im Vorland von Simferopol auf gut organisierten Widerstand des Jägerbataillons der Krimdeutschen, das Ende 1918 vom Oberleutnant der reichsdeutschen Armee von Hohmaier aufgestellt worden war und als einzige militärische Einheit auf der Krim seine Kampftauglichkeit bis zum Einmarsch der Roten Armee bewahrt hatte. Anfang Mai 1919 handelte das Kommando des Jägerbataillons Garantien für die persönliche Sicherheit von dessen Soldaten bei der Niederlegung der Waffen und Demobilisierung aus.

Als im Sommer 1919 die Truppen General A.I. Denikins in der Südukraine einmarschierten, wurden sie in einigen Gegenden im Kampf gegen die Rote Armee von Kolonisten unterstützt. Infolge eines bewaffneten Aufstands der Kolonisten im Gouvernement Cherson (Ende Juli – Anfang August 1919) wurde das Hinterland der diese Gegend verteidigenden sowjetischen Einheiten erheblich desorganisiert, so dass diese den vorrückenden Weißen Truppen keinen Widerstand leisten konnten und den Rückzug antreten mussten.

Der Großteil der Kolonisten trat der Weißen Armee freiwillig bei. Aus ihren Reihen wurde in Molotschansk das Deutsche Sonderbataillon aufgestellt, das am Kiewer Frontabschnitt gegen die Rote Armee kämpfte. Auch eine der Kompanien des 1. Simferopoler Offiziersregiments wurde aus deutschen Freiwilligen zusammengestellt. Der aus der Kolonie Lustdorf stammende General Schell richtete in Odessa einen Sonderstab ein, der die Verteidigung des Bezirks Odessa durch Kräfte der örtlichen Selbstschutzeinheiten organisierte.

Ungeachtet der Unterstützung, die die Weiße Armee von Seiten der deutschen Kolonisten erfuhr, hegte ein Teil sowohl der Führung als auch der einfachen Ränge keinerlei Sympathien für die Kolonisten, was darin Ausdruck fand, dass in den Kolonien deutlich mehr Lebensmittel und Pferde requiriert wurden und die Kolonisten deutlich mehr Fuhrdienste leisten mussten als in den benachbarten ukrainischen Dörfern.

Nach ihrer Niederlage gegen die Rote Armee kam die Armee Denikins im Herbst 1918 auf ihrem Rückzug nach Süden durch die kompakten deutschen Siedlungsgebiete, wodurch vor allem die in den Amtsbezirken Chortiza und Nikolajfeld nahe der Stadt Aleksandrowsk gelegenen mennonitischen Kolonien in Mitleidenschaft gezogen wurden. Einheiten Machnos, der erneut ein Bündnis mit der Roten Armee eingegangen war, fügten der Wirtschaft dieser Siedlungen ebenfalls gewaltige Schäden zu. So wurde die Kolonie Dubowka (Eichenfeld) im Oktober 1919 vollständig zerstört. 84 Kolonisten, unter denen auch Frauen, Kinder und Alte waren, wurden getötet. Auch in anderen Ortschaften dieser Amtsbezirke waren zahlreiche Fälle von Raub und Mord zu verzeichnen – insgesamt wurden im Oktober 228 Personen von Soldaten Machnos getötet. Ähnliche Aktionen verübten die Soldaten Machnos am 29.-30. November im mennonitischen Amtsbezirk Kotschubejowskoe (Orlowo) und am 1. Dezember im deutschen Amtsbezirk Wysokopolje (Kronau/ Gouvernement Cherson). Die Kolonie Münsterberg wurde niedergebrannt und 98 Einwohner einschließich der Frauen, Kinder und Alten bestialisch ermordet. Insgesamt fielen in diesem Rayon 223 Personen den Soldaten Machnos zum Opfer.

Das deutsche Sonderbataillon trat zusammen mit den teilweise aufgeriebenen Truppen Denikins den Rückzug auf die Krim an, wo es der Gruppierung General Ja.A. Slaschtschews angeschlossen wurde, die wiederum zur Armee General P.I. Wrangels gehörte. Als Wrangel im Mai 1920 seine Offensive auf Nordtaurien begann, kämpfte in seiner Armee auch ein aus deutschen Kolonisten bestehendes Freiwilligenregiment.

In der Gegend von Odessa war eine von den Kolonisten A. Schock, K. Keller u.a. mitbegründete antisowjetische Untergrundorganisation aktiv, die einen bewaffneten Aufstand plante, um Wrangels Offensive zu unterstützen und Kräfte der Roten Armee zu binden. Ungeachtet der Tatsache, dass ein Teil der Führer dieser Organisation am 18. Juni 1920 von der Odessaer Tscheka verhaftet wurde, begann in den deutschen Kolonien Festerowka und Jeremejewka ein bewaffneter Aufstand, dem sich bald auch die bulgarischen Dörfer Katorschino und Petrowerowka anschlossen. Aber der bewaffnete Aufstand fand bei der Mehrheit der deutschen Bevölkerung des Rayons Odessa keine Unterstützung und wurde bis Mitte Juli 1920 niedergeschlagen.

Im November 1920 trat die Armee Wrangels den Rückzug auf die Krim an und wurde anschließend unter dem Ansturm der von M.W. Frunse befehligten sowjetischen Truppen über das Schwarze Meer in die Türkei evakuiert. Auch ein Teil der Soldaten des deutschen Freiwilligenregiments fand sich in der Emigration wieder und ging später vielfach nach Kanada und in die USA. Einige unversöhnliche Gegner der Sowjetmacht versuchten den bewaffneten Kampf in der Ukraine fortzusetzen. So war die Untergrundorganisation Schocks noch bis Ende August 1921 aktiv, als 67 ihrer Mitglieder von den Organen der Tscheka verhaftet wurden. Schock selbst, sein engster Mitstreiter G. Keller und einige andere konnten sich nach Bessarabien absetzen.

Im Nordkaukasus wurden die deutschen Kolonisten ungeachtet aller Versuche, Neutralität zu wahren, immer wieder zu Opfern der sowohl von Seiten der Roten als auch von Seiten der Weißen Armee verübten Gewaltakte. Zudem unternahmen lokale Banden durch das Fehlen einer stabilen Staatsmacht animiert immer wieder Überfälle auf die Kolonien. Sowohl in die Weißen Einheiten als auch in die Rote Armee wurden Kolonisten immer wieder zwangsmobilisert. Nach der Einnahme des Nordkaukasus durch die Rote Armee wurde die aus Wolgadeutschen zusammengestellte Deutsche Kavalleriebrigade im Sommer 1920 in Welikoknjascheskoje und einigen anderen deutschen Kolonien einquartiert.

In Transkaukasien unterstanden die Kolonisten seit Frühjahr 1918 der Jurisdiktion der unabhängigen Staaten Aserbaidschan und Georgien, auf deren Gebiet fast im gesamten Verlauf des Jahres 1918 reichsdeutsche und türkische und nach der Niederlage Deutschlands und seiner Verbündeten im Ersten Weltkrieg von Oktober 1918 an englische Truppen standen. Die Besatzungsbehörden waren den Kolonisten gegenüber recht loyal eingestellt, die sie wiederum mehrheitlich unterstützten. Nach dem Einmarsch der Roten Armee (April 1920) wurden in Transkaukasien mit Sowjetrussland verbündete Sowjetrepubliken gegründet. Ein kleinerer Teil der Deutschen war sowohl auf Seiten der nationalen Kräfte als auch auf Seiten des bolschewistischen Regimes an den Kämpfen beteiligt.

Die in der Wolgaregion gelegenen kompakten deutschen Siedlungsgebiete standen im gesamten Verlauf des Bürgerkriegs unter Kontrolle der Bolschewiki, die hier wie auch in den anderen von ihnen kontrollierten Gebieten die Politik des Kriegskommunismus verfolgten. Zugleich war das von Deutschen besiedelte Territorium im Verlauf der Jahre 1918 und 1919 frontnahe Zone. Als die Armee Denikins Richtung Norden vorrückte und erst 10 km südlich des Dorfes Solotoje und 15 km südlich von Golyj Karamysch (Balzer) gestoppt werden konnte, plünderten die zurückweichenden Einheiten und Unterabteilungen der sowjetischen 10. Armee den Bezirk Golyj Karamysch. In dem 179.000 Einwohner zählenden Bezirk wurden über 10.000 Pferde und 12.000 Stück Vieh requiriert. Wie die Gebietsführung nach Moskau berichtete, wurde auch der Transport ins Hinterland durch marodierende Gruppen erheblich gestört: „Den Granaten transportierenden Bauern werden unterwegs ihre Pferde ausgespannt und die Granaten ihrem Schicksal überlassen; wenn die Bauern protestieren, werden sie verprügelt und manchmal auch getötet. So bleiben Patronen, andere Gegenstände und verwundete Rotarmisten auf dem Weg zurück... Schläge und Gewalt gegen Bauern gehören zum Alltag. Es gab Fälle von Vergewaltigungen der Frauen. Die Bauern sind absolut terrorisiert.“ Auch im benachbarten Bezirk Rownoje und im Gebiet der Wolgadeutschen wurden die deutschen Dörfer immer wieder Opfer von  Gewaltakten.

In den Jahren 1918–20 wurden zahlreiche Wolgadeutsche zur Roten Armee einberufen und an verschiedenen Fronten eingesetzt. Da sich die Mehrheit der Kolonisten allerdings nur höchst unwillig von ihrer landwirtschaftlichen Arbeit losreißen ließ, sind in den Dokumenten zahlreiche Hinweise auf Desertion zu finden. So wies das Kommando der Sonder-Schützenbrigade der 5. Armee der Ostfront am 4. Januar 1919 in einem Schreiben an das Exekutivkomitee des Gebietssowjets auf Fälle „arglistiger Desertion“ hin. Dass sich an dieser Lage auch ein Jahr später kaum etwas geändert hatte, legt ein Schreiben des Chefs des Stabs der Truppen des Gebiets Don vom 11. März 1920 nahe, in dem dieser von „gigantischer Desertion unter den mobilisierten Deutschen“ berichtete: „Angesichts eines kleinen Kaders von Ausbildern und fehlender Russischkenntnisse auf Seiten der meisten Deutschen bleiben die ergriffenenen Maßnahmen weitgehend wirkungslos.“

Im Sommer 1918 begann der Aufbau rotarmistischer Freiwilligenverbände, auf deren Grundlage das Exekutivkomitee des Bezirks Katharinenstadt das Katharinenstädter Regiment aufstellte, das im November-Dezember 1918 umstrukturiert, in Erstes Katharinenstädter Kommunistisches Deutsches Regiment umbenannt und Ende Dezember 1918 an die Front entsandt wurde. Am 15. November 1918 wurde das Gebietswehramt gegründet, dem alle die militärische Mobilisierung und die Aufstellung nationaler Truppeneinheiten und Unterabteilungen der Roten Armee betreffenden Aufgaben übertragen wurden. Parallel wurden auch in den Bezirken Katharinenstadt, Rownoje und Golyj Karamysch Wehrämter eingerichtet.

Im Januar 1919 wurde ein deutsches Reservebataillon aufgestellt, das im Frühjahr zunächst in ein deutsches Reserveregiment und später zum 4. Reserve-Infanterieregiment umgeformt wurde, das im Verlauf des gesamten Bürgerkriegs auf dem Territorium des Autonomen Gebiets der Wolgadeutschen stationiert war und für die Ausbildung der Kriegsdienstleistenden zuständig war, die später zu anderen nationalen infanterieregimentern abkommandiert wurden. Abgesehen davon wurden aus den in dem Regiment dienenden Soldaten auch Requirierungskommandos aufgestellt.

Auf Bitte der Gebietsführung und auf Grundlage eines Telegramms des Kriegskommissars L.D. Trotzkij vom 3. Mai 1919 begann die Aufstellung des Zweiten Freiwilligen Infanterieregiments Balzer (siehe Zweites Regiment Balzer), das im September 1919 aus dem Gebiet zunächst zur weiteren Rekrutierung in die Gegend der Stadt Atkarsk (Gouvernement Saratow) und anschließend an die Front verlegt wurde.

Am 11. Juni 1919 wurde die Marxstädter Kavalleriereserve aufgestellt, auf deren Grundlage auf Befehl des Revolutionären Kriegsrats der Republik von Juli 1919 an die aus zwei Regimentern bestehende Zweite Gesonderte Deutsche Kavalleriebrigade formiert wurde. Im November 1919 wurde eine gesonderte Reservekavalleriedivision aufgestellt, aus der Soldaten für die Brigade rekrutiert wurden.

Im Juli 1919 wurde die Gebietskommission zur Bekämpfung der Desertion eingerichtet, bei der ein für die Bekämpfung der Desertion eingesetztes Regiment aufgestellt wurde.

Im Januar 1920 wurde die Reservekavalleriedivision der West-Armee der Südostfront unterstellt und aus dem Gebiet abkommandiert. Im Mai 1920 wurde eine neue Reservekavalleriedivision aufgestellt, auf deren Grundlage das Gebietswehramt zwei Reiterstaffeln zusammenstellte und an die Front kommandierte. 1920 wurden auf dem Territorium des Gebiets der Wolgadeutschen zudem eine leichte Artilleriedivision der Reserve, ein Pionierregiment der Reserve und ein gesondertes Strafregiment (für „arglistige“ Deserteure) aufgestellt.

Darüber hinaus stellten die Wehrämter des Gebiets der Wolgadeutschen bzw. der in diesem gelegenen Bezirke im Bedarfsfall bewaffnete Sonderkommandos zur Lösung dringlicher Aufgaben auf. So gab es im Sommer 1919 innerhalb der Astrachaner Truppengruppe eine vom Gebietswehramt aufgestellte 320 Mann starke deutsche Kampfeinheit. Die Bitte des Wehramts, die Kampfeinheit in das Gebiet zurückzubeordern, wies der Kommandant der Gruppe mit der Begründung zurück, dass sich die Kampfeinheit in einem Kampfgebiet befinde und sehr gut kämpfe.

Auf dem Höhepunkt der Offensive der Truppen A.W. Koltschaks wurde im April 1919 ein deutsches Bataillon gegründet, das zum in der Stadt Pugatschow aufgestellten und zur Verteidigung Samaras entsandten Regiment „Rotstern“ gehörte.

Zur Zeit des Vormarschs der Truppen Denikins in die südlichen Territorien des Gebiets der Wolgadeutschen (Juli-August 1919) stellte die Parteiorganisation der RKP(b) des Bezirks Golyj Karamysch eine aus örtlichen Kolonisten bestehende Kampfeinheit auf, die die Stadt Golyj Karamysch standhaft verteidigte und später an der Rückeroberung des Bezirks beteiligt war.

Zur Ausbildung der in den deutschen nationalen Einheiten eingesetzten Kommandeure wurde bei den Ersten Saratower Infanterie-Maschinengewehrkursen auf Antrag des Gebietswehramts am 1. Juni 1919 eine deutsche Abteilung eröffnet. Allerdings dauerte es gerade einmal einen Monat, bis 31 Offiziersschüler, also fast die Hälfte der deutschen Abteilung, desertiert waren. Elf Offiziersschüler wurden als mutmaßliche Organisatoren der Flucht vor das Militärtribunal gestellt, die übrigen Flüchtigen als einfache Kämpfer an die Front geschickt. Nichtsdestotrotz schloss der erste Jahrgang roter deutscher Kommandeure im Dezember den Kurs ab.

Die Gebietsführung betrieb unter den deutschen Rotarmisten politische Erziehungsarbeit. Von Januar 1919 an gab es zunächst in Saratow und später in Marxstadt den Klub der Roten Armee „Karl Liebknecht“, dessen Hauptaufgabe darin bestand, das „Klassenbewusstsein“ der Rotarmisten zu wecken. Unter dem Dach des Klubs gab es Kurse zur Bekämpfung des Analphabetentums und eine Bibliothek. Es wurden Vorträge gehalten, künstlerische Laienkreise organisiert und Konzerte und Theateraufführungen veranstaltet. Vom 5.-12. Januar 1920 fand im Gebiet der Wolgadeutschen eine „Woche der Roten Kaserne“ statt, in deren Rahmen die Bevölkerung die Kasernen besuchen konnte und diese in gemeinsamer Freiwilligenarbeit auf Vordermann gebracht wurden.

Im Rahmen einer im Juli 1920 im gesamten Autonomen Gebiet ausgiebig begangenen „Woche der Polnischen Front“ wurden allein im Bezirk Rownoje 79.600 Rubel gesammelt. Im Dorf Krasnyj Jar spendeten die Bauern 27.000 Rubel, in der Kolonie Solothurn vier Pud Tabak usw. An die Sowjetisch-Polnische Front wurde eine Marschkompanie Freiwilliger entsandt, der 90 frühere Deserteure angehörten. 80 Freiwillige äußerten den Wunsch, Kurse für Rote Kommandeure zu besuchen.

Um in den deutschen Einheiten und Unterabteilungen oder unter den in anderen Einheiten der Roten Armee dienenden Kolonisten Politarbeit zu leisten, mobilisierte die Gebietsparteiorganisation der RKP(b) mehrfach die Kommunisten. Die meisten mobilisierten Parteimitglieder (50% aller Mitglieder der Gebietsparteiorganisation) wurden in die deutschen nationalen Einheiten der Roten Armee abkommandiert.

In Sibirien hatten die Versuche der meisten deutschen Dörfer, eine neutrale Position zu bewahren, den größten Erfolg. Für Unmut sorgte unter den Kolonisten die in ganz Sibirien durchgeführte totale Mobiliserung der jungen Männer in die Armee Koltschaks. Die Bewohner einiger lutherischer Dörfer (Podsosnowo, Kamysch u.a.) unterstützten im Herbst 1918 den gegen Koltschak gerichteten  Bauernaufstand von Tschornyj Dol im Altaj. Anführer der aufständischen Kolonisten war der Vorsitzende des Podsosnowoer Dorfrats K. Wagner. Die Aufständischen nahmen Slawgorod ein und gründeten dort eine Bauernrepublik. Dabei wurden mehrere Großgrundbesitzer erschossen, unter denen auch Deutsche waren (A. Frei u.a.). Um sich vor den Aufständischen zu retten, war auch der Führer der sibirischen deutschen Autonomieverfechter Ja. Stach gezwungen, nach Semipalatinsk zu flüchten. Der Aufstand wurde von der sogenannten „Partisanendivision“ B. Annenkows brutal niedergeschlagen.

Auch in der Steppenregion und in Turkestan versuchte ein Großteil der deutschen Bevölkerung, sich nicht in den Bürgerkrieg ziehen zu lassen, was sie allerdings nicht vor den von allen Seiten betriebenen Requirierungen, Enteignungen und Mobilisierungen bewahrte. So wurden z.B. im Dezember 1918 bei den in vier Dörfern des Amtsbezirks Nikolajpol (Kirgisien) ansässigen Kolonisten alle Pferde von den Bezirksorganen der Sowjetmacht beschlagnahmt.

Ende 1920 – Anfang 1921 gelang es den Bolschewiki, die Weiße Bewegung zu zerschlagen und die „selbständigen“ nichtrussischen Randgebiete zurückzuholen. Im Schlussakt des Bürgerkriegs sahen sie sich mit einem durch die Politik des „Kriegskommunismus“ provozierten „Bauernkrieg“ konfrontiert, an dem sich im Nordkaukasus, in Westsibirien und in der Wolgaregion auch deutsche Bauern beteiligten (siehe: Bauernaufstände). In Turkestan kämpften einige Deutsche sogar in Basmatschen-Einheiten mit.

Das Echo der durch den Bürgerkrieg provozierten gesellschaftlichen Spaltung wirkte auch über das Ende der Kampfhandlungen hinaus noch lange nach.

Literatur

Герман А. А., Немецкая автономия на Волге. 1918–1941. Ч. 1. Автономная область. 1918–1924, Саратов, 1992; Малиновский Л. В., Немцы в России и на Алтае, Барнаул, 1995; Безносов А. И., К вопросу об участии немецких колонистов и меннонитов в гражданской войне на Юге Украины (1917–1921 гг.), в кн.: Вопросы германской истории; Немцы в Украине, Днепропетровск, 1996; Кронгардт Г. К., Немцы в Кыргызстане: 1880–1990 гг., Бишкек, 1997; Ченцов В. В., Трагические судьбы, М., 1998.

Autoren: German A., Besnossow A.

ЗEINE FRAGE STELLEN