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GNADENFELD (Gnadenfeld, Klutschi, Moor), heute Dorf Kirowo, Rayon (Kreis) Krasnyj Kut, Gebiet Saratow, deutsche Kolonie im linken Einzugsbereich der Wolga

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Молитвенный дом в Гнаденфельде. Фото начала ХХ в.
Вид на село Кирово с правого берега реки Сухая Солянка. Фото автора. 2010 г.
с. Кирово. Старые дома, обложенные современным кирпичом. Фото автора. 2010 г.
с. Кирово. Современная школа и площадь, где ранее находился школьно-молитвенный дом. Фото автора. 2010 г.

GNADENFELD (Gnadenfeld, Klutschi, Moor), heute Dorf Kirowo, Rayon (Kreis)  Krasnyj Kut, Gebiet Saratow, deutsche Kolonie im linken Einzugsbereich der Wolga, am linken Ufer des Flusses Suchaja Soljanka (zweite Bezeichnung: Ussatowa). Lag 558 Werst von des Stadt Samara, 117 Werst vom Ujesd-Zentrum Stadt Nowousensk, 79 Werst südöstlich von Pokrowskaja Sloboda, 12  Werst vom Wolost-Zentrum Dorf Gussenbach entfernt. Das Dorf gehörte von 1871  bis  Oktober 1918 zur Wolost Nischnij Eruslan und dann zur Wolost Gussenbach (Dobrynino), des Ujezd Nowousensk, Gouvernement Samara.

Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolga-Deutschen war das Dorf Gnadenfeld bis 1935 Verwaltungszentrum des Dorfrates des Kantons Krasnyj Kut. 1926 bestand der Dorfrat Gnadenfeld nur allein aus dem Dorf Gnadenfeld. Seit dem 1. Januar 1935, nach der Ausgliederung des Eckheimer Kantons aus dem Kanton Krasnyj Kut und bis zur Auflösung  der ASSR der Wolga-Deutschen im Jahr 1941 gehörte Gnadenfeld zum Kanton Eckheim.

Die Kolonie wurde 1855 als  eine Tochterkolonie gegründet. Ihre Gründer waren die Kolonisten, die früher in Mutterkolonien am rechten Ufer wie Moor (heute Dorf Klutschi, Rayon Krasnoarmejsk, Gebiet Saratow), Schwab (heute Dorf Butkowka, Rayon Kamyschin, Gebiet Wolgograd), Norka (heute Dorf Nekrassowo, Rayon Krasnoarmejsk, Gebiet Saratow), Dönhof (heute Dorf Wyssokoje, Rayon Krasnoarmejsk, Gebiet Saratow), Grimm (Lesnoj Karamysch, heute Siedlung Kamenskij, Rayon Krasnoarmejsk, Gebiet Saratow), Balzer (Golyj Karamysch, heute Krasnoarmejsk, Gebiet Saratow), Schilling (heute Dorf Sosnowka, Rayon Krasnoarmejsk, Gebiet Saratow) lebten.

Zusammen mit Gnadenfeld entstanden im linken Einzugsbereich der Wolga zeitgleich einige weitere Kolonien. Ähnlich wie viele andere deutsche Kolonien hatte Gnadenfeld mehrere Namen. 1858 wurde von der Treuhandanstalt die Frage nach „Namen neuer Kolonien“ Brunnenthal, Gnadenfeld, Schönfeld, Jagodnaja etc. diskutiert.

Der Name der Kolonie bedeutet im Deutschen „Feld der Gnade“ und stammte von deutschen Begriffen „Gnaden“  und „Feld“. Ihren zweiten deutschen Namen „Moor“ erhielt die Siedlung  nach dem Namen der Mutterkolonie Моор. Ihren russischen Namen Klutschi erhielt die Kolonie  1916, als sich landesweit deutschfeindliche Propaganda entfaltete. Nach der Gründung im Jahr 1918 der Arbeitskommune der Wolga-Deutschen erhielten die Dörfer ihre deutschen Namen zurück.

Die Kolonisten betrieben vorwiegend  Getreideanbau und Mehlherstellung, bauten Weizen, Roggen, Hafer, Gerste an.  Laut der 9. Volkszählung von 1850  hatten die Kolonisten Anspruch auf Pro-Kopf-Bodenanteile von 15 Dessjatin. Laut der 10. Volkszählung von 1857 besaßen 267 männliche Kolonisten Grund und Boden von 15,7 Dessjatin pro Person. 1857 lebten in der Kolonie 88 Familien. Nicht nur in  Mutterkolonien, sondern auch in den Tochterkolonien kamen ab und zu  Probleme der Versorgung von Kolonisten mit Grund und Boden auf. So wurde in den Jahren 1860–1862 vom Ersten Department des Ministeriums für Staatsvermögen  und der Samara-Saratow Gruppe für Kolonienbewertung die Frage nach zusätzlicher Bereitstellung von Grund und Boden an die Kolonie Gnadenfeld erörtert.

Laut Angaben des Zentralen Statistikausschusses zählte die Kolonie   1859 65 Haushalte. Nach Angaben des Statistikausschusses des Gouvernements Samara bestanden 1910 im Dorf 210 Gehöfte, wurden zwei Windmühlen errichtet. In den 1920er Jahren gab es im Dorf einen genossenschaftlichen Verkaufsladen, eine landwirtschaftliche Kreditgemeinschaft. Im September 1941 wurden Deutschstämmige aus dem Dorf deportiert, seit 1942 hat das Dorf den Namen Kirowo.

Schule und Ausbildung der Kinder. Die erste Kirchengemeindeschule entstand im Dorf 1855 zu seiner Gründungszeit. Zum Ende der 1850er Jahre  erlangte die Schule den Status einer Fachschule.   1868 beschloss die Gemeinde, für Eigenmittel ein neues Gebäude  des Schul- und Bethauses zu errichten.  Bis  1871 wurde das Bauwerk vollendet, vom Architekten der Kontor Ferdinand Lagus begutachtet und geweiht. Nach 1870 wurde im Dorf  noch eine Semstwo-Schule mit Russischunterricht eröffnet.

Laut statistischen Erhebungen über den Zustand der Schulen in deutschen Kolonien,  die von Propst des linken Wolgaufers, Johannes Erbes, vorgenommen wurden, gab es  1906  unter insgesamt 1926  Dorfbewohnern 185 Kinder im Alter von 7 bis 15 Jahren, die Grundschulbildung erhalten sollten.  Im Unterschied von anderen deutschen Siedlungen wurde die Schule durch die Kinder des schulpflichtigen Alters hundertprozentig besucht, während die Kinder in anderen Kolonien wegen der Armut der Eltern  oder wegen  ihrer Alltagsarbeit im Gewerbe und Handwerk keine Möglichkeit für den Schulbesuch hatten.  1906 wurde die Kirchenschule von Gnadenfeld von 107 Jungen, 78 Mädchen besucht, der Unterricht wurde vom einzigen Lehrer H. Reusch erteilt. Die Schule wurde für die Mittel der Kirchengemeinde finanziert. In den Jahren der Sowjetmacht wurden die beiden Schulen geschlossen und im Dorf eine Grundschule eröffnet.

Konfessionelle Bindung der Einwohner und die Kirche. Die Kolonisten gehörten zur evangelisch-lutherischen   und reformierten Kirche. Einen Teil der Bewohner machten zum Ende des 19. – Anfang des 20. Jh.  Baptisten aus.     

1855–1865  wurde die lutherische Gemeinde Gnadenfeld von den Pastoren aus der Gemeinde Warenburg (heute Dorf Priwolnoje, Rayon Rownoje, Gebiet Saratow) betreut.  1865–1882 gehörte die Gemeinde Eckheim zum 1865 gegründeten Kirchenspiel Eckheim  (heute Dorf Ussatowo, Rayon Krasnyj Kut, Gebiet Saratow). Seit 1882 ging die Gemeinde Gnadenfeld in das Kirchenspiel Brunnenthal ein. Diese entstand am  25. November 1882 im Zuge einer in den  1870er–1880er Jahren durchgeführten Umwandlung der Probstkreise des Wolga-Gebiets. Das Kirchenspiel Brunnenthal setzte sich aus lutherischen Siedlungen Gnadenfeld, Brunnenthal (heute Dorf Kriwojar, Rayon Rownoje, Gebiet Saratow), Gussenbach (heute Dorf Perwomajskoje, Rayon Rownoje, Gebiet Saratow), Neu-Beideck (existiert heute nicht mehr), Blagodarowka (existiert heute nicht mehr), Dobrino (existiert heute nicht mehr)  zusammen, die aus dem Kirchenspiel Eckheim ausgeschlossen wurden.

Die Gemeinde Gnadenfeld hatte kein traditionelles Kirchengebäude. Anfangs fand der Gottesdienst in einem Privathaus statt, dann wurde in der Kolonie ein geräumiges Schul- und Bethaus errichtet, der den Status einer Außenstelle hatte.  Die Entscheidung über seine Errichtung wurde von der Gemeinde Anfang der 1860er Jahre getroffen, gegen 1868 wurde die Spendensammlung vollendet. 1871 wurde das Bauwerk fertiggestellt und vom Architekten der Kanzlei Ferdinand Lagus begutachtet und geweiht. Trotz erheblicher baugestalterischer Unterschiede des Bethauses von herkömmlichen Kirchenbauten  und abgesehen vom Fehlen eines Glockenturms wurde das Bethaus als Kirche bezeichnet. Unweit vom Bethaus stand ein hölzernes Küstergebäude.  Neben dem lutherischen Schul- und Bethaus gab es im Dorf ein Baptisten-Bethaus.

1875 wurden in der Kirchenspiel Brunnenthal eine Armenkasse und eine Wohlfahrtsgesellschaft gegründet, deren Außenstelle sich in der Gemeinde Gnadenfeld befand.  Als Ziel der Gesellschaft wurde in der Satzung die Verhinderung der Bettelei protestantischer Kirchgänger festgehalten. Den Gegenstand der Aktivitäten der Gesellschaft bildeten Versorgung mit Nahrung, Übernachtung und Kleidung von Hochbejahrten, Hilfeleistung an Arbeitsfähige bei der Arbeitssuche, Erziehung bettelnder Kinder, Versorgung von Kranken mit medizinischer Hilfe, Rückführung der Bettler aus anderen Ortschaften in ihre Heimatorte.

 1931 erhielt  das Präsidium des Zentralen Exekutivkomitees der ASSR der Wolga-Deutschen geheime Angaben von der regionalen Kommission für die Behandlung religiöser Fragen, denen zufolge im Dorf zu diesem Zeitpunkt  das Bethaus noch nicht geschlossen worden war, die Zahl der gläubigen Lutheraner 759 Personen ausmachte, von denen 5 Personen zur Kategorie derjenigen gehörten, denen die politischen Rechte genommen worden waren. Die Tätigkeit des  Bethauses in Gnadenfeld wurde aufgrund offizieller Verordnung des Präsidiums des Zentralen Exekutivkomitees und Obersten Sowjets der ASSR der Wolga-Deutschen vom 13. Mai 1933 eingestellt, weil sich 552 Personen von den insgesamt 626 verbleibenden Bewohnern für seine Auflösung ausgesprochen hatten. Auf Empfehlung des Präsidiums des Zentralen Exekutivkomitees sollte das Gebäude in eine Kultureinrichtung umgewandelt werden.

Liste der Pastoren:  Pastoren des Kirchenspiels Warenburg (Priwolnoje), die in der Gemeinde Gnadenfeld 1855–1865 wirkten:   Franz Karl Hölz. Liste der Pastoren des Kirchenspiels Eckheim, die in der Gemeinde Gnadenfeld wirkten: 1867–1868 – Friedrich Heinrich Wilhelm Keller, 1869–1877 – Wilhelm Stärkel. Im Zeitraum  von  1877–1882 hatte das Kirchenspiel keinen Pastor. Liste von Pastoren des Kirchenspiels Brunnenthal, die in der Gemeinde Gnadenfeld wirkten:   1884–1906 – Johann Jakob Stuber. 1907–1910  – Otto Inser, 1912–1932 – Johannes Grasmück.

Bevölkerungszahl: 1859 zählte Gnadenfeld 365 ausländische Kolonisten,  1889 waren es 1031 Personen. Laut den Angaben der Allgemeinen Volkszählung des Russischen Reiches von 1897  lebten in Gnadenfeld 1077 Personen, davon  1071 Deutsche. 1905 zählte das Dorf  1814 Bewohner, 1910 waren es  1865 Personen. Nach Angaben der Gesamtrussischen Volkszählung von 1920 lebten in Gnadenfeld  1594 Personen. 1921 wurden im Dorf 105 Personen geboren und sind 113 Personen gestorben. Laut den Angaben der statistischen Gebietsamtes des Autonomen Gebiets der Wolga-Deutschen lebten in Gnadenfeld per 1. Januar 1922  1633 Personen. Nach Angaben der Gesamtrussischen Volkszählung von 1926 hatte das Dorf 290 Haushalte, sie alle waren deutsch und zählten insgesamt 1668 Personen (davon  801 männlich  und  867 weiblich). 1931 lebten in Gnadenfeld 1763 Personen, alles Deutschstämmige.

Das Dorf heute. Nunmehr das Dorf Kirowo, Rayon Krasnyj Kut, Gebiet Saratow. Im heutigen Dorf Kirowo lässt sich nur schwer eine ehemalige deutsche Kolinie erahnen. Hier sind nahezu keine alten deutschen Häuser oder sonstige Objekte der deutschen Bauweise erhalten geblieben. Das Dorf wurde in den Nachkriegsjahren neu bebaut, hat ein zweistöckiges Typen-Schulgebäude, einen Postamt und Verkaufsläden.

INHALT

Archive

ГАСО. Ф. 180. Оп. 1. Д. 321; Оп. 4. Д. 16; Ф. 637. Оп. 19. Д. 122; ГИАНП. Ф. 849. Оп. 1. Д. 834. Л. 68; Д. 934. Л. 61; Ф. 1831. Оп. 1. Д. 299. Л. 14.

Literatur

Князева Е.Е., Соловьева Ф. Лютеранские церкви и приходы ХVIII–ХХ вв. Исторический справочник. – СПб., 2001. Часть I; Список населенных мест Российской Империи по сведениям 1859 года. XXXVI. Самарская губерния. СПб., 1864; Список населенных мест Самарской губернии. – Самара, 1910; Amburger E. Die Pastoren der evangelischen Kirchen Russlands vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1937. Ein biographisches Lexikon. – Martin-Luther-Verlag, 1988.

Autoren: Lizenberger O.A.

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